predictions II: die kommende italienische regierung

Posted on May 21, 2018 by dario

vorgeschichte

das hier is tatsächlich predictions 2, nummer eins war aber im zug sitzend auf papier gekritzelt, deshalb gibt’s das hier nicht zu lesen (tl;dr: ich prädizierte dass die mehrheit knapp gegen den brexit sein wird, weil restvernunft und sympathiebonus jo cox. naja.)

einordnung

es ist mai 2018, die letzten italienischen wahlen haben luigi di maio (5-sterne-bewegung, linke euro“skeptiker”, manche schreiben auch “anti-establishment”) und irgendwie das rechtsnationale lager, vertreten im moment nicht durch berlusconi, sondern mateo salvini (lega nord, die waren quasi schon immer rechtsaussen-partei soweit ich das seh).

status heute: di maio und salvini haben irgendwie eine regierung verhandelt, aber keiner der beiden gönnt dem anderen den ministerpräsidenten-posten, also haben sie matarella (staatspräsident, der das absegnen muss) Giuseppe Conte vorgeschlagen, jura-professor und gemeinhin als politisch eher unerfahren eingeschätzt.

fragestellung

wie lang hält diese regierung, wie wird diese zeit so, und wie geht’s danach weiter? (das is natürlich reichlich ausführlich, aber bedingt sich meiner meinung nach so n bisschen, und gefühlt will ich in alle drei richtungen spekulieren/vorhersagen).

prediction: die nächste italienische regierung wird ca. 2 jahre halten

ca. 3 jahre ist as exact as it gets mit so vorhersagen, und ist länger als die durchschnittliche italienische regierung bisher im amt geblieben ist. es war schon mal nicht so einfach, rauszufinden, wie lang die legislaturperiode eines italienischen ministerpräsidenten ist, weil wohl idR. nichm das ende besagter legislaturperiode das ende ist, sondern neuwahlen oder abwahl. for the curious: premierminister hat 7 jahre, aber muss das vertrauen des parlaments (sprich mehrheit) haben, welches alle 5 jahre neu gewählt wird. insgesamt haben’s seit 1861 einschließlich benito mussolini 8 leute geschafft, insgesamt länger als 5 jahre ministerpräsident zu sein, und nur mussolini war am stück länger als 5 jahre. die idee in italien scheint also zu sein, öfter mal was neues zu wählen, damit’s nicht langweilig wird.

pro long-time: conte bringt die regierung nicht zu fall

so, was bringt mich also dazu zu glauben, dass die jetzige regierung 2 jahre durchhält. die regierung hält meiner definition nach so lange wie die aktuellen zwei parteien an der macht sind. über giuseppe conte trau ich mich keine so langfristigen annahmen zu treffen (dazu: matarella hat irgendwann mal angesagt, dass der ministerpräsident bitte kein strohmann sein soll, nur weil sich die zwei parteichefs (und aller wahrscheinlichkeit nach kabinettsmitglieder) nicht einig sind; sprich er soll die richtlinienkompetenz auch ausüben können). letztendlich haben aber di maio und salvini ihm zu signifikant macht verholfen, und ihn damit letztendlich in der tasche. dementsprechend hat er nicht viele manövriermöglichkeiten (oder beinfreiheit, wie man hierzulande seit peer steinbrücks buch sagt); sprich er wird im zweifel tun wie ihm (hinter den kullissen, selbstverständlich, nach aussen ist seine zugewiesene rolle natürlich souveränität auszustrahlen) geheißen, und im zweifel höchstens zwischen den zwei hähnen vermitteln, um irgendeine tragbare position nach außen zu haben.

insgesamt +1.0 für long-time government.

contra long-term: big expectations

sowohl di maio als auch salvini haben im wahlkampf viel versprochen, und sich auch im koalitionsvertrag einiges vorgenommen: bedingungsloses grundeinkommen, abschottung vor flüchtenden menschen und eine gehörige portion (mindestens) skepsis gegenüber der EU und dem euro. während sie die aus ihrem eher unausgeglichenen (cough) haushalt resultierende staats-schulden-problematik lange genug ignorieren könnten bis sie nicht mehr dran sind, wird ihnen eine allzu europa-kritische haltung zum einen moralisch vom staatspräsidenten, zum anderen politisch (und vor allem polit-taktisch) von den entsprechend länger schon agierenden profis aus .de und .fr probleme machen.

insgesamt glaube ich, dass sie (wie letztlich jede regierung) nicht wirklich genug von ihren vorhaben umgesetzt kriegen, um die bevölkerung nachhaltig davon zu überzeugen, dass sie nen guten job machen. nachdem sie mit verständnis für die einfachen und die jungen leute angetreten sind, und leute es (meiner wahrnehmung nach) doch endlich mal wieder gewagt haben, ihre hoffnung in irgendwelche politiker zu setzen, wird selbst die hälfte der ziele erreicht zu haben nicht reichen, und sie werden in den augen ihrer jetzigen wähler nicht als erfolgreich dastehen (-0.5).

dafür sorgen auch die …

contra long-term: medien

… allen voran silvio berlusconi, weiterhin eigentümer diverser fernseh- und radio-kanäle sowie zeitungen. wäre ich sein wahlkampfmanager, wäre meine jetzige strategie, (u.a. über “die”(meine) medien) zu zeigen, wie zerstritten, unorganisiert, unerfahren, uneinig, und generell regierungsuntauglich die aktuelle manschaft von pubertierenden kindern (di maio) und strategisch-denk-befreiten (findet ein besseres wort) stammtisch-oppositionellen (salvini) ist. “es gibt einige gute ansätze, einzig einer mit erfahrung und durchsetzungsfähigkeit fehlt” wäre meine zentrale botschaft. ein fußballteam ohne mittelstürmer. ein ferrari ohne lenkrad und schalthebel. eine hochzeitsfeier ohne braut. es fehlt was. die werbespots schreiben sich quasi von selbst, und nachdem berlusconi signifikant viele medienhäuser gehören, kommt insgesamt von denen nicht viel unterstützung für die aktuelle regierung, weil instabilität berlusconis beste strategie ist aktuell (das wahlvieh kennt ihn bereits zur genüge, und wenn man stabilität mit “bereichert sich nicht noch mehr am staat, weil hat ja schon alles” verwechselt, ist das ne einfache wahl).

dementsprechend -0.5 long-term aus der medien-seite (grundsätzlich sind die medien natürlich immer unzufrieden, pro-präsident ist nur fox news für republikanische präsidenten; dementsprechend lässt sich ein gewisser teil auch einfach mit “naja, die medien suchen halt skandale” wegwischen, deshalb hier nur -0.5 und nicht mehr).

undecided: the establishment behind the scenes

bei trump dachte ich anfangs dass er fürchterlich über seine unfähigkeit (mit der eigenen partei, die ja mehrheiten in beiden kammern hat) zu kommunizieren stolpern würde. letztlich finden aber alle ganz gut, dass der kasper die leute ablenkt, während sie fröhlich durchwinken, was sie schon immer mal durchwinken wollten. vergleichbar werden di maio und (leicht weniger) salvini erstmal reinfinden müssen in das lenken eines staates, und ihre rolle in den medien, bzw. andersrum gesagt nicht so leicht raus finden aus ihren jeweiligen provokateurs- und radikal-alternativ-rollen. letztlich wird das establishmend behind the scenes aber (evtl. nach kurzer denkpause) recht schnell erkennen, was es an den wandelnden ablenkungsmanövern hat, und die beiden entsprechend größtenteils ihrer eitelkeit/machtgeilheit/aufmerksamkeitslust überlassen, und die ablenkung im zweifel dafür nutzen, ihre lieblings-schon-immer-mal-im-passenden-moment-gesetzesvorhaben aus der schublade zu holen.

andererseits weiß das establishment behind the scenes auch nicht wirklich einzuschätzen, ob von den beiden nicht doch nochmal irgendwo ein schuss kommt, den sie nicht erwartet hatten oder zumindest nicht gut finden; ein berlusconi wäre da schon zuverlässiger (im sinne von berechenbarer) und je nach idealismus von z.b. di maio auch kooperativer (di maio hat zumindest im moment noch eine zwei-amtsperioden-höchstgrenze in seiner partei, sprich wenn er jetzt nicht ministerpräsident wird und sich an seine parteiregularien hält(sprich sie nicht ändern lässt, was ihm doch einige in jeder hinsicht zutrauen), wird er’s auch nicht mehr).

insgesamt ist also meiner schätzung nach die situation für reiche hintergrund-strippenzieher in der nächsten regierung nicht optimal, aber doch ganz ok, so dass sie kein großes interesse haben, die regierung zu wechseln, sollte die nicht auf fürchterliche steuergesetzgebung o.Ä. kommen (wonach’s im moment nicht aussieht), also ±0 dafür.

contra long-term: beide kämpfen um ihr profil und letztlich gegeneinander

keiner der beiden halb-regierungschefs gönnt dem anderen den ministerpräsidenten-posten. vom draufschauen würde ich sagen di maio hat 32% geholt mit seiner partei, salvini nur 17 und redet sich damit raus, dass er ja stellvertretend für das ganze rechte lager stünde, was insgesamt (u.a. mit berlusconis forza italia) auf um die 38% kommt, dementsprechend sollte di maio klar regierungschef sein. warum er sich auf das gelaber von salvini einlässt und nicht einfach ansagt, dass er MP ist und fertig ist mir nicht ganz klar, aber ist jetzt auch in der kommunikation schon durch.

letztlich kämpfen egal wie die beiden parteichefs – und allem vernehmen nach auch jeweils minister im neuen kabinett – gegeneinander um politisches profil und aufmerksamkeit, und es wird nicht leicht (hahaha, kleine untertreibung, wa?) für MP conte, den politischen alltag sinnvoll und vielleicht sogar mit inhalten zu gestalten.

für die platzhirsch-hahnenkämpfe weitere -0.5 long-term.

pro long-term: beide haben einen ruf zu verlieren

der gegenpunkt zu obigem ist aber auch klar: beide seiten – di maio als chef einer neuen aufstrebenden partei, salvini als plötzlich chef der rechtspopulisten-fraktion – müssen tunlichst zeigen, dass sie prinzipiell in der lage sind, eine regierung zu führen (zur profilschärfung gerne mit “aber nicht mit diesen volltrotteln” ergänzen). sie werden deshalb allzuviel zirkus vermeiden, und immer wieder auf (wenn auch platte) inhalte zurück kommen, die sie persönlich für die wichtigsten/profilbildentsten halten. das sollte reichen, um die öffentliche wahrnehmung ein stück richtung “die tun doch was” zu rücken, oder zumindest “die würden doch was tun, wenn nicht wäre”. dementsprechend auch +1.0 für long-term-regierung.

andere parteien

die aktuelle regierung besteht aus sehr linken/anti-establishment-leuten und recht rechten leuten; ansonsten gibt’s noch die partito democratico (sozialdemokraten) und weitere mitte-links-parteien, sowie zwei zentrums-parteien (christdemokraten) und die restlichen rechts-, links- oder nirgends-aussen-gruppen. ähnlich wie in .de scheint es usus zu sein, wenn man sonst nichts weiß christdemokraten zum chef zu wählen, mit der occasional ausnahme eines einzelnen sozialdemokraten, der einen dann wieder erinnert warum man die nicht wählen wollte. ähnlich hatten die italiener paolo gentiloni (sozis) gewählt, der anti-korruption versprochen hat, und nicht genug liefern konnte. vielleicht haben sie das bei der nächsten wahl vergessen, vielleicht scheint aber auch berlusconi die bessere alternative (ja, ich weiß…).

all in all ware die anderen parteien alle mehr oder weniger schon mal dran, und haben nichts weltbewegendes gerissen, aber auch nicht italien mit anlauf in den boden gerammt, falls die zwei clowns also nicht delivern sollten is your guess as good as mine wer’s danach richten™ sollen wird. (my guess is good ol’ silvio. i mean, who doesn’t like a good round of bunga-bunga?…).

andere parteien: stehen so bereit wie immer, also quasi .. najaa, sozusagen.

an charismatischen chefs fehlt’s meiner wahrnehmung nach in den anderen parteien eher, wie immer ist berlusconi noch der passabelste in der lustigen™ menge. die sozialdemokraten waren sich (umgekehrt zu hier in .de) nicht ganz einig, wer (renzi oder gentiloni) denn jetzt dran wäre kandidieren zu dürfen (während in .de eher ausgesucht wurde, wer zum scheitern nach vorne geschoben wird). dementsprechend zerstritten in die wahl gegangen wurden sie dann auch nicht wirklich gewählt. von den christdemokraten keine ahnung, da hat sich nicht wirklich jemand für mich bemerkbar gemacht.

statistische langlebigkeit von italienischen MP

statistik sagt (meinem oberflächlichen draufgucken nach) drei jahre im durchschnitt; aber durchschnitt heißt auch dass es mindestens die hälfte nicht bis da hin schafft, der kürzeste war 15 tage im amt und mussolini verzerrt mit 20 jahren doch etwas die statistik. der übrig bleibende rest der statistik spricht also eher für ein jahr und zerquetschte, wenn überhaupt: -0.5 langlebigkeit.